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19. BLUESFEST / Bluesfans feiern auf der
Kocherwiese eine zweitägige Party mit acht Bands
Bewährter Tanz auf schmalen Graten Von Künstlern und Verführern
–
Souveräner Ronnie Baker Brooks – Fulminantes Staraufgebot
zum Finale
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zu einem weiteren Bericht vom Bluesfest von
Michael Schleicher
Bericht:
Richard Färber
Wer bisher gerätselt hat, warum die Gaildorfer ihr Bluesfest
nicht Festival nennen, dürfte seit Sonntagfrüh Bescheid
wissen: Das zweitägige Stelldichein hochkarätiger Musiker
war vor allen Eines: eine gigantische Party.
Wer wird denn gleich eine Schnute ziehen? Es ist Freitag abend,
die Bluebirds haben eine rasante Blues und Boogie-Vorlage
hingelegt und Alex Schultz fegt los - mit Funkjazz.
Schultz ist, das wird schon bei den ersten Takten deutlich, ein
Solitär, ein Edelgitarrist, ein Meister der Klangkontrolle,
ein „schöner“ Musiker im Wortsinn. Dennoch entspannen
sich die Schnuten erst, als Schultz zur Bluesroutine überleitet
und als Finis Tasby die Bühne betritt. Jemanden
wie Tasby hört man selten: er ist ein Bluessänger, einer
der weiß, wie man Bluesgeschichten erzählt - und der
in Gaildorf hört, wie diese Geschichten im Jubel ertrinken.
„Der traut sich nicht nach vorne“, sagt Einer, und er
hat recht: Tasby ist zu sensibel für solche Nummern.
James Armstrong ist dagegen ein Vollkontakt-Musiker.
Er kommt mit großer Wucht und in großer Folgerichtigkeit
über das Bluesfest: Schultz’ hat Spuren hinterlassen
- und Armstrong sorgt mit einem emotionalen Auftritt dafür,
dass sie als distanziert erinnert werden – wenigstens von
den Schnuten. Die fast schon eifersüchtige Spannung, die sich
da aufgebauthat, löst ein Souverän.
Bei Ronnie Baker Brooks und seiner Band fragt niemand
mehr nach dem
Genre. Rocksoulbluesfunk heißt das Gebräu, und für
die Bluesschnuten hat
Brooks ein Phrasenprogramm in petto, das zum Davonlaufen wäre,
wenn’s ein Klei-nerer bringen würde.Es entwickelt sich
ein Spiel mit Erwartungen, mit verwegenen Anläufen und verweigerten
Sprüngen, mit gellenden Gitarrenlinien, die über Sekunden
auf Höhe gezogen werden - es ist ein Genuss: die pure Anmache
und für diejenigen, die’s immer noch nicht verstanden
haben, wandert Brooks durchs Zelt, hebt die Gitarre zum Mund und
streichelt die Saiten mit der Zunge. Und kehrt zusammen mit Armstrong
und Schultz zurück. Es ist der große Moment des Freitags,
es ist die Stunde der wenig erstaunlichen Wahrheit und es ist die
Stunde von Ronnie Baker Brooks, der sich als eine der imposantesten
Bühnenpersönlichkeiten
entpuppt, die das Bluesfest je erlebt hat.
Was nicht heißen soll, dass er die einzige ist. Und auch nicht,
dass das Programm notwendig eine monotone Folge von gut, besser,
am besten sein muss. Die E-Gitarren-Konkurrenz gibt’s zwar
auch am Samstag, allerdings eher als groben Abklatsch der freitäglichen
Spannungsshow:
Volker Strifler und seine Band glänzen mit
bisweilen zum Mitsingen schönen Standards, Tutu Jones
will das Publikum besoffen spielen. Der feine Unterschied Es gibt
einen feinen, aber wesentlichen Unterschied zwischen Tutu Jones
und Ronnie Baker Brooks: dieser verführt seine Zuhörer
bei vollem Bewusstsein, jener geriert sich an diesem Abend als,
pardon, Lustmolch, der, wenn’s der Sache dient, auch „Hey
Joe“ auspackt. Und dann ist am Samstag auch dieses Eifern
um die Publikumsgunst beendet.
Auf den Plan treten die Überzeugungstäter: Sharrie
Williams und ihre formidablen „Wiseguys“, mit
Wut im Blut und Geschichten von der Straße, die gebrüllt
werden müssen, weil sie niemand hören will, es sei denn,
sie
werden gegen Eintrittsgeld als Blues serviert. Sharrie Williams
lächelt freundlich und erzählt viel, aber wenn sie singt,
dann bricht ein Schmerz durch, den man lieber nicht erleben müssen
möchte.
James Harman hat derweil noch ein „Häberlen“
aufgemacht. „Backstage“ zählt man heimlich mit,
es ist das Dritte, und die Band mit Junior Watson
und „Sax“ Gordon Beadle hat schon losgelegt.
Harman, der einzige Harpspieler des diesjährigen Bluesfestes,
aber straft alle Besorgnis Lügen. Nachdem er endlich, das vierte
Häberlen in der Hand, auf die Bühne geschubst werden kann,
kontrolliert er die Band und ihre Musik in jeder Sekunde. Man hat’s
erhofft und bekommen: das Finale ist die Katharsis. Es geht tatsächlich
nur noch um die Musik, bei diesem letzten, ehrlichsten und schönsten
Konzert, zu dem schließlich auch noch die Sängerin Toni
Lynn Washington auf die Bühne kommt. Das Publikum
liefert die Laune, und Blues und Laune gibt’s zurück.
Einen wollen wir aber doch herausheben: „Sax“ Gordon
Beadle. Nicht, weil er uns auf dem Tenorsaxophon schwindlig gespielt
hat, sondern weil er einen Grad der Perfektion erreicht hat, der
an die Selbstparodie grenzt. Feinfühlige Schnutenzieher hat
das schnell irritiert: Wer sich auf Beadles dröhnendes Pathos
einlässt, kann sich an seinen Vorlieben den Kopf bluesig stoßen.
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zu einem weiteren Bericht vom Bluesfest von
Michael Schleicher
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